Vorsatzanfechtung (§133 InsO) im Fokus
Hamburg, 17. Februar 2017
Auch wenn mit der Umsetzung des bereits im Koalitionsvertrag niedergelegten Reformvorhabens innerhalb der aktuellen Legislaturperiode schon nicht mehr zu rechnen war, wurde nunmehr durch den Bundestag am 16. Februar 2017 eine Reform des Anfechtungsrechts beschlossen. Zwar sind die Änderungen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Auswirkungen in der Praxis werden jedoch wahrscheinlich eher gering sein.
Hintergrund
Die sogenannte Insolvenzanfechtung ermöglicht es Insolvenzverwaltern, erhaltene Zahlungen von Gläubigern zurückzufordern. Der vermehrte Einsatz dieses Instruments in den vergangenen Jahren hat zu zahlreicher Kritik von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen geführt verbunden mit Forderungen, die Gesetze zu ändern und finanzielle Risiken für Unternehmen zu reduzieren.
Wesentliche Änderungen im Einzelnen
Folgende Änderungen gelten für Insolvenzverfahren, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung eröffnet wurden:
1. Verkürzung des Anfechtungszeitraumes gemäß § 133 InsO
Der Zeitraum, für welchen Rechtshandlungen des Schuldners rückwirkend angefochten werden können wird, insbesondere auch für Zahlungen an den Warenlieferanten (Deckungsanfechtung), auf vier Jahre verkürzt. Vom Zehnjahreszeitraum sind nur noch Bankrotthandlungen und vorsätzliche Vermögensverschiebungen zulasten der Gläubiger erfasst.
Die Auswirkungen in der Praxis werden gering sein, da die meisten Fälle den Zeitraum innerhalb von vier Jahren vor Antragstellung betreffen.
2. Zahlungsunfähigkeit
Nach bisherigem Recht reichte für die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO eine drohende Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Schuldners und eine Kenntnis des Gläubigers hiervon aus. Erlangt der Gläubiger eine kongruente Sicherung oder Befriedigung (in der vereinbarten Art und Zeit, also beispielsweise nicht im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vom Zahlungspflichtigen), so bedarf es nach der
Neuregelung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Schuldners und entsprechender Kenntnis des Gläubigers.
3. Zahlungserleichterungen
Im Falle der Gewährung von Zahlungserleichterungen (Stundung, Ratenzahlungsvereinbarung, etc.) erfolgt nunmehr eine Beweislastumkehr. Aufgrund einer Zahlungserleichterung wird nach dem Gesetzeswortlaut vermutet, dass der Gläubiger keine Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte. Das bedeutet also, dass der anfechtende Insolvenzverwalter das Gegenteil dieser gesetzlichen Vermutung beweisen muss.
Seitens mehrerer Richter des Neunten Senats beim Bundesgerichtshof wurde verlautbart, dass die neuen Regelungen nach Möglichkeit so angewendet werden sollen, dass sich keine Veränderungen gegenüber der bisherigen Rechtsprechung ergeben.
Voraussichtlich dürfte sich die Privilegierung der Gesetzesänderung daher auf „branchenübliche Zahlungserleichterungen“ beschränken, wobei dieser Begriff wiederum vollkommen unbestimmt ist. Hinzu kommt, dass Anfechtungen meistens nicht auf ein Beweisanzeichen alleine gestützt werden. Bei der Frage, ob der Gläubiger bei Zahlung wusste, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist, sind immer mehrere
Beweisanzeichen zu beachten. Trotz der Gesetzesänderungen bleiben hier erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen.
4. Bargeschäft
Das Bargeschäft erhält zudem eine weitere Privilegierung/Konkretisierung. Erfolgt der Leistungsaustausch in einem Unmittelbarkeitsverhältnis (maximal 30 Tage zwischen Leistung und Gegenleistung), so ist die Rechtshandlung des Schuldners nur dann anfechtbar, wenn der Gläubiger wusste, dass der Schuldner unlauter handelte.
Auch diesbezüglich dürften die Auswirkungen in der Praxis gering sein, denn bei den meisten Geschäften findet kein Leistungsaustausch statt bei dem zwischen Leistung und
Gegenleistung maximal 30 Tage liegen. In vielen Branchen dürfte es auch undenkbar sein, dass auf solche Vereinbarungen umgestellt wird.
5. Zinsanspruch
Der Anfechtungsanspruch ist nach der Neuregelung nunmehr nach den allgemeinen Regelungen verzinslich. Also nur noch ab dem Datum, ab dem sich der Gläubiger mit dem Ausgleich des Anfechtungsanspruchs im Verzug befindet. Es bedarf also einer Fristsetzung/Mahnung, um den Verzugseintritt zu begründen. Bisher war der Anspruch ab dem Datum der Verfahrenseröffnung zu verzinsen, auch wenn der Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruches keine Kenntnis hatte.
6. Arbeitslöhne
Besonders privilegiert wurden Arbeitslöhne. Zum Schutz von Arbeitnehmern vor einer Anfechtung erhaltener Löhne wurde der Bargeschäftszeitraum mit drei Monaten zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts normiert.
In Anbetracht der ohnehin arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürfte auch dieser Änderung wenig praktische Relevanz zukommen.
7. Keine Novellierung des § 131 InsO
Der Entwurf einer Novellierung des § 131 InsO, wie er noch im Regierungsentwurf vorgesehen war, wurde verworfen. Nach dem ursprünglichen Entwurf sollten Zahlungen aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht mehr als inkongruent im Sinne des § 131 InsO gelten. Hiermit war insbesondere eine Privilegierung des Fiskus und der
Sozialversicherungsträger beabsichtigt. Hier gelten die alten Bestimmungen unverändert fort.
Ab wann gelten die Änderungen?
Grundsätzlich gelten die neuen Vorschriften nur für Insolvenzanfechtungsansprüche aus solchen Insolvenzverfahren, welche nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes eröffnet werden.
Eine Ausnahme bildet die Novellierung hinsichtlich des Zinsanspruchs. Diese Änderung gilt auch für Altverfahren, betrifft aber nicht solche Zinsansprüche, die bereits bei Inkrafttreten entstanden waren.
Fazit
Die Neuregelungen aufgrund des Reformgesetzes sollen Rechtssicherheit schaffen und sind eher „punktuelle Nachjustierungen“ als grundlegende Änderungen. Die Auswirkungen in der Praxis dürften überschaubar bleiben. Die weitergehenden Änderungen sind mit erheblichen Rechtsunsicherheiten für Gläubiger und Insolvenzverwalter verbunden. Hier bedarf es ergänzender Konkretisierung durch die Rechtsprechung im Hinblick auf die unbestimmten Rechtsbegriffe. Dabei steht zu befürchten, dass der Neunte Senat beim Bundesgerichtshof bemüht sein wird seiner bisherigen Linie treu zu bleiben. Die Auswirkungen auf Altverfahren sind äußerst gering und können allenfalls zu einer Verkürzung des Zinsanspruchs führen.