Keine Meinung zur ADLER Group

Symbolbild für Keine Meinung zur ADLER Group

Keine Meinung zur ADLER Group

Dieser Tage ist den Medien zu entnehmen, dass die ADLER Group Schwierigkeiten hat, einen Abschlussprüfer für ihren Konzernabschuss 2022 zu finden. Auf den ersten Blick mag dies verwundern, wo doch andernorts zu lesen ist, die Prüfungsgesellschaften würden sich gegenseitig die Mandate „wegschnappen“. Eine Formulierung, die insinuiert, die Prüfungsgesellschaften verhielten sich wie Hunde, die sich um einen leckeren Schinken balgen. Was macht es insofern der ADLER Group so schwer, einen Abschlussprüfer zu verpflichten?

Die ADLER Group (Slogan: „Mehr Zukunft pro m2“) ist eine börsennotierte Gesellschaft, die laut Homepage in Deutschland ca. 26.250 Wohnungen vermietet. Die Gesellschaft wurde – so steht es im Jahresfinanzbericht für das Jahr 2021 – am 13. November 2007 in Zypern unter der Firma Swallowbird Trading & Investments Limited gegründet. Am 8. Juni 2015 wurde der Firmensitz nach Luxemburg verlegt und umfirmiert in ADO Properties S.A.. Seit dem 29. September 2020 trägt sie den Namen ADLER Group S.A.. Für das Jahr 2021 wird bei einer Bilanzsumme von 13,04 Mrd. EUR ein Umsatz in Höhe von 1,14 Mrd. EUR und ein Verlust in Höhe von 1,17 Mrd. EUR berichtet.

Berichterstattung im Halbjahresfinanzbericht 2022

Der Berichterstattung zum Halbjahr 2022 sind die Entwicklungen hinsichtlich der Abschlussprüfung und weitere Themen der Buchhaltung in chronologischer Reihenfolge transparent zu entnehmen:

Zur Prüfung des Abschlusses 2021 wird ausgeführt:

„KPMG war nach eigener Aussage nicht in der Lage, hinreichend geeignete Prüfungsnachweise zu erlangen, um ein Prüfungsurteil für diesen Konzernabschluss und Einzelabschluss abzugeben. Es ist das erklärte Ziel der Adler Group, alle Maßnahmen zu ergreifen, um den von KPMG erteilten Versagungsvermerk für den Jahresabschluss 2021 zu heilen und einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für 2022 zu erlangen.“

Man darf davon ausgehen, dass die Geschäftsbeziehung durch so ein Ereignis belastet ist, so dass es nicht verwundert, wenn ADLER fortfährt:

„Am 17. Mai 2022 teilte KPMG der Adler Group mit, dass die Gesellschaft für eine Prüfung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2022 nicht zur Verfügung stehen wird.“

Daher macht sich die ADLER Group auf die Suche nach einem neuen Prüfer und berichtet:

„Die Adler Group leitete daraufhin umgehend die Suche nach einem neuen Abschlussprüfer ein. Am 29. Juni 2022 veröffentliche die Adler Group S.A. die Ausschreibung für den Auftrag zur Prüfung des Einzel- und Konzernabschlusses für das Geschäftsjahr 2022. Die Ausschreibung lief am 13. Juli 2022 aus, ohne dass die Gesellschaft Angebote erhalten hätte.“

Unterdessen bleibt der ADLER Group weiterer Arbeitsaufwand nicht erspart, wie im Halbjahresbericht ausgeführt wird:

„Zusätzlich zur Abschlussprüfung des Konzernabschlusses von ADLER zum 31. Dezember 2020 und des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2019 erhielt ADLER am 22. Juni 2022 eine Prüfungsanordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2021 und des zusammengefassten Lageberichts für das Geschäftsjahr 2021.“

Die BaFin interessiert sich somit für die Abschlüsse der Jahre 2019, 2020 und nun auch noch für den Abschluss des Jahres 2021 - wie ADLER ausführt

„vor dem Hintergrund, dass die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Abschlussprüfer der ADLER Real Estate AG kein Testat für den Konzernabschluss der ADLER erteilt hat.“

Die ADLER Real Estate AG ist eine Tochtergesellschaft der ADLER Group, die an der Börse notiert ist, jedoch werden nur 3,3% der Anteile gehandelt, der Rest gehört der ADLER Group (seit dem 23. Juni 2022 läuft ein sog. Squeeze-Out-Verfahren).

ADLER berichtet, dass im August 2022 Rechtsmittel gegen eine Fehlerfeststellung der BaFin eingelegt wurden.

Aktuelle Entwicklung am 17.11.2022

Der News-Seite der ADLER Group ist zu entnehmen, dass am 17.11.2022 Rechtsmittel gegen weitere Teilfehlerfeststellungen der BaFin eingelegt werden, denn:

„Adler teilt Auffassung der BaFin weiterer Teilfehlerfeststellungen im Konzernabschluss der ADLER Real Estate AG zum 31.12.2019 nicht.“

Das Ausgeführte lässt sich bis hierhin zusammenfassen:

  • Die Auffassung der BaFin wird nicht geteilt.
  • Der Prüfer war nicht in der Lage ausreichende Prüfungsnachweise zu erlangen.

ADLER scheint unter Meinungsverschiedenheiten und Inkompetenz relevanter Institutionen der Finanzbuchhaltung zu leiden, was die Frage auslöst, wie sich diese Institutionen äußern.

Die Position der BaFin

Die BaFin veröffentlicht am 17.11.2022 auf ihrer Homepage in den aktuellen Meldungen unter der Rubrik “Bilanzkontrolle” eine Fehlerbekanntmachung, die drei Feststellungen enthält, die hier teils vereinfacht wiedergegeben werden:

Erstens habe die ADLER Group im Konzernabschluss 2019 eine Gesellschaft vollkonsolidiert, an der ihr 33,25% der Anteile gehörten.

Erläuterung: Eine Vollkonsolidierung bedeutet, dass der gesamte Umsatz und das gesamte Vermögen der Gesellschaft im Konzernabschluss angesetzt und berichtet werden. Voraussetzung ist immer die Beherrschung dieses Unternehmens. Eine solche wird vermutet, wenn die Muttergesellschaft mehr als 50% der Anteile hält.

ADLER argumentiert in der diesbezüglichen Mitteilung,

„dass der besagte mittelbare Anteilsbesitz angesichts der gewöhnlichen Hauptversammlungspräsenzen bei der ADO Properties S.A. eine faktische Kontrollmehrheit darstellt.“

Kurz: Bei einem Anteilsbesitz von 33,25% stellt eine mögliche Hauptversammlungsmehrheit eine faktische Beherrschung dar.

Die BaFin teilt diese Auffassung nicht und leitet ab, dass infolge der fehlerhaften Vollkonsolidierung u.a.:

  • das Vermögen der ADLER Group um 4,4 Mrd. EUR,
  • die Schulden sowie die Anteile nicht beherrschender Gesellschafter um jeweils 1,7 Mrd. EUR und
  • das Gesamtergebnis um 543 Mio. EUR

zu hoch ausgewiesen sei.

Zweitens habe die ADLER Group auf Risiken nicht hingewiesen, die sich aus der Nichterfüllung der Beherrschungsvoraussetzungen ergeben; diese Risiken liefen auf Beschränkungen in der Aufnahme von Finanzverbindlichkeiten hinaus.

Drittens:

„Die ADLER Real Estate Aktiengesellschaft hat im Geschäftsjahr 2019 keine Aufzeichnungen darüber geführt, ob Vertragspartner von Unternehmens- und Immobilientransaktionen als nahestehende Unternehmen oder Personen klassifiziert bzw. nicht als solche klassifiziert wurden.“

Die BaFin schließt mit der Bemerkung, dass die Prüfung im Übrigen noch andauere.

Die Beziehungen zu nahestehenden Personen, bzw. das Management derselben sind nicht nur der BaFin aufgefallen.

Dies leitet zu der Frage über, warum die KPMG kein Prüfungsurteil abgegeben hat.

Welcher Meinung ist die Wirtschaftsprüfung?

Die Antwort findet sich im Jahresfinanzbericht 2021. Dieser ist in deutscher Sprache verfasst und ist dem Investor-Relations Bereich der Homepage der ADLER Group zu entnehmen. Auf der Suche nach dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers, wie diese Position üblicherweise überschrieben ist, findet man die Überschrift:

„Bericht des Réviseur d’Entreprises agréé“

Die Formulierung dürfte dem luxemburgischen Sitz der Gesellschaft geschuldet sein, und bedeutet übersetzt, dass es sich um einen zugelassenen Wirtschaftsprüfer handelt.

Dessen Bericht ist – abweichend vom deutschen Sprachgebrauch des gesamten restlichen Jahresfinanzberichtes – in englischer Sprache gehalten. Vermutlich steht hier das Bemühen des Managements im Vordergrund, im Sinne maximaler Transparenz dem bilanzlesenden Publikum echte Originaltöne zu vermitteln. Unterstützend sei erläutert: Im angelsächsischen Sprachraum gibt der Wirtschaftsprüfer eine sog. „Opinion“ ab, also eine Meinung. In seiner Stellungnahme bekundet er seine Meinung, ob der Abschluss in Ordnung ist oder nicht.

Unter der Überschrift

„Disclaimer of Opinion“

stößt man im zweiten Absatz auf die Formulierung:

„We do not express an opinion on the accompanying consolidated financial statements of the Group.”

Dies bedeutet nun nicht, der Prüfer habe keine Meinung, vielmehr würde die entsprechende Formulierung auf deutsch lauten, dass das Testat versagt wurde.

Das ist manchmal nicht zu verhindern: Wer einmal einen Prüfer beauftragt, kommt aus der Nummer nicht mehr raus. Die Prüfung endet unweigerlich mit einem Testat. Dieses wird entweder uneingeschränkt erteilt, eingeschränkt oder versagt. Ein anderes Resultat ist nicht möglich. Weder Mandant noch Prüfer können beispielsweise mittendrin die Prüfung abbrechen, weil es Ärger gibt oder sie vielleicht einfach keine Lust mehr haben, selbst wenn sie sich einvernehmlich darauf einigten.

Hier also endete die Prüfung mit einem versagten Testat. Über die Begründung ist den Medien wenig bis nichts zu entnehmen und auch die Ausführungen der ADLER Group hierzu sind nicht besonders ergiebig, daher soll hier der erste Satz der originalen Begründung zitiert werden:

“Because management denied us access to certain information, including correspondence between related parties, in performing our audit procedures, there are exceptional circumstances which prevent us from obtaining sufficient appropriate evidence about the identification and disclosure of related parties and significant related party transactions and account balances.”

Auf deutsch in nicht zertifizierter Übersetzung der ersten beiden Halbsätze:

“Weil das Management uns Zugang zu bestimmten Informationen verweigert hat, einschließlich des Schriftwechsels zwischen nahestehenden Personen.“

Der Vorsitzende des Verwaltungsrates weist im Vorwort zutreffend darauf hin, dass 2021 ein bewegtes und schweres Jahr war, in dem die ADLER Group deutlich an Vertrauen verloren hat. Er fährt fort:

„Daher ist es unsere vorrangige Aufgabe, diesen Verlust an Vertrauen zunächst einmal wieder wettzumachen.“

Da hat er wohl recht.

Warum möchte keine Prüfungsgesellschaft den Abschluss der ADLER Group prüfen?

Weil sie unter intensivster Beobachtung der BaFin und ADLERS im Versagungsvermerk konstatierter Nicht-Kooperation versuchen müsste, hinreichende Sicherheit darüber zu erlangen, ob der Konzernabschluss als Ganzes frei von wesentlichen Falschdarstellungen ist (formuliert in Anlehnung der Standardformulierung zur Verantwortung der Abschlussprüfer unter allen größeren Abschlüssen). Wenn sich kein Freiwilliger findet, könnte schlimmstenfalls ein Gericht den Prüfer bestellen. Während das Gericht die Würfel wirft, dürften sich diverse Verantwortungsträger der in Frage kommenden Prüfungsgesellschaften die Augen zuhalten.

Hinsichtlich des Ziels, einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für 2022 zu erlangen und den Verlust an Vertrauen wieder wettzumachen,wäre es sicher ein guter Anfang, der nächsten Prüfungsgesellschaft – wer auch immer es werden mag – den Zugang zu bestimmten Informationen nicht zu verweigern.

Die Informationen wurden ausschließlich öffentlich verfügbaren Quellen entnommen.

Die vorstehenden Interpretationen geben die subjektive Einschätzung und Meinung des Verfassers wieder und basieren ausschließlich auf öffentlich verfügbaren Informationen. Der Verfasser hat keinen Zugang zu internen Informationen des Unternehmens. Die Ausführungen sind ausdrücklich und ausschließlich als subjektive Einschätzungen der Abschlussanalyse aus externer Perspektive zu interpretieren. Es handelt sich ausdrücklich nicht um irgendeine Form der Anlageberatung.